Der Griff ins Archiv

Im Fall der Brustkrebs-Gentests können prospektive Studien lange dauern, weil der Krebs noch nach vielen Jahren wiederkehren kann, zum Beispiel als Metastase. Dann haben sich die Therapien und die Diagnostik aber vielleicht derartig weiterentwickelt, dass das Ergebnis der Studie gar nicht mehr gefragt ist.

Ein möglicher Ausweg für die Krebsgentests: Man simuliert eine prospektive Studie – an archivierten Gewebeproben von Krebspatientinnen. Dabei untersucht man mit dem Gentest zum Beispiel ein Stück Tumorgewebe, das einer Patientin vor zehn Jahren entnommen wurde: Hätte der Gentest dieser Patientin ein hohes oder niedriges Rückfallrisiko attestiert? Und ist sie inzwischen tatsächlich erneut erkrankt oder nicht? Die derzeit verfügbaren vier Gentests wurden vor allem in solchen Studien an alten Gewebeproben überprüft, die aus früheren wissenschaftlichen Untersuchungen erhalten sind.

Die Vorteile der „retrospektiv-prospektiven“ Studien liegen auf der Hand: Sie sind deutlich billiger und schneller. Aber sie haben auch gravierende Nachteile, sagt Stefan Lange vom IQWiG: Oft stehe aus den alten Studien nicht mehr von allen Teilnehmerinnen Tumorgewebe zur Verfügung. „Dann kann es zu Verzerrungen im Ergebnis kommen.“ Auch der medizinische Fortschritt könne ein Problem darstellen: „Wenn Sie zum Beispiel 15 Jahre altes Tumormaterial nehmen, dann kann es sein, dass zu dieser Zeit noch Therapien angewendet wurden, die heute überhaupt keine Rolle mehr spielen.“

In den verschiedenen Nachweisstudien zu den Brustkrebs-Gentests wurden laut AGO 14 bis 66 Prozent der archivierten Gewebeproben verwendet – ein Grund für die Zurückhaltung der AGO-Leitlinienkommission, was die Empfehlung der Tests angeht. Das IQWiG wird diese Studien bei der Bewertung zu den Gentests jedoch berücksichtigen und überprüfen sowie auch andere Studien heranziehen.